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Antwort: Prof. Dr. Volker Peinelt – Warum machen wir es nicht?

Liebes DNSV: Ihren Bericht über unsere Pressekonferenz am 13.1. habe ich gelesen. Er entspricht in weiten Teilen den von uns gegebenen Informationen. Daher meinen Dank für die gute Berichterstattung! Erlauben Sie mir, auf ein paar Punkte hinzuweisen, die vielleicht vom User missverstanden werden könnten.
Wir haben ein Bewertungs- und Zertifizierungskonzept entwickelt, bei dem es nicht primär darum geht, das Essen selbst zu prüfen. Hierbei stellt man sich wohl eher eine lebensmittelanalytische Untersuchung vor oder vielleicht auch sensorische Prüfungen in einem Sensoriklabor. Beides fand nicht statt. Dies ist alles schon zur genüge gemacht worden. Hier hätten wir nur etwas wiederholen können, denn an den Fakten hat sich seit Jahren kaum etwas geändert. Natürlich wird die Qualität des Essens und die Akzeptanz von uns mit verschiedenen Instrumenten mitbewertet.
In unserem Konzept steht im Vordergrund, ein ganzes System zu überprüfen, was viel mehr ist als die Essensqualität. Auch wenn es letztlich darauf ankommt, dass ein wohlschmeckendes und vollwertiges Essen angeboten wird, so muss man doch zunächst darauf achten, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Und das alles ist eben viel mehr als die richtige Garung und Würzung von Lebensmitteln. Daher prüfen wir die Organisationsstruktur, die Personalqualifikation, die Umsetzung von Qualitätsstandards oder die Einhaltung der Hygiene, um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen. Denn was nützt es den Schülern, wenn das Essen zwar gut schmeckt, es aber mit Fäkalkeimen aller Art verseucht ist, weil keine vernünftigen Möglichkeiten zum Händewaschen und -desinfizieren bestehen? Und das ist kein Extrembeispiel!
Den gesamten Komplex “Herstellung von Mittagessen” beherrschen, wenn überhaupt, dann nur die Profis. Selbst dort mussten wir -leider gar nicht mal so selten- erhebliche Mängel feststellen. Deshalb reicht es eben nicht, wenn man nur fordern würde, dass die Profis das Geschäft machen. Sie müssen auch zertifiziert werden!!
Unsere Aussage lautet daher, dass 90% der Betriebe durchfallen würden, wenn sie erstmalig und unvorbereitet durch unser Bewertungssystem geprüft würden. Dies ist eine Erfahrung über mind. fünf Jahre, wobei die überprüften Betriebe Zeit zur Vorbereitung hatten. Hierbei sind die Schwere der Mängel und die Fähigkeit, diese zu beheben, von der Qualifikation der Betreiber abhängig. Ein Profi-Betrieb weist meist vergleichsweise geringere Mängel auf und hat auch i.d.R. die Kompetenz, sie in Kürze zu beseitigen. Amateure hingegen können meist mehrerer unserer “Killerfragen”, also ganz wichtiger Anforderungen, nicht erfüllen. Sie sind auch weit davon entfernt, dies in einer annehmbaren Zeit hinzubekommen. Eine von mehreren Konsequenzen davon ist, dass dann meist auch das Essen eine schlechte Qualität hat.
Mir werden immer wieder Stories erzählt von engagierten Müttern, die “gutbürgerlich” kochen und deren Essen von den Schülern geliebt wird. Das bestreite ich auch gar nicht. Doch wie sieht es um die Vollwertigkeit aus, wie um die Hygiene? Allein der Geschmack darf kein hinreichendes Kriterium sein. In England kam man mit diesem Ansatz zu einem Speisenplan, der fast nur noch Fleisch und Frittiertes aufwies, weil das die Kinder am liebsten mochten. In einer Woche war teilweise kein Gemüse zu entdecken! Bis dann Jamie Oliver kam…
Bitte bedenken Sie, dass wir seit Jahren ein rapides Ansteigen des Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen beobachten. Wir stellen bereits bei Jugendlichen fest, dass Sie Diabetes vom Typ II haben, der eigentlich erst im höheren Alter auftritt (“Altersdiabetes”). Dies hat u.a. etwas mit einer zu hohen Energiezufuhr zu tun. Daher darf der Geschmack und die Akzeptanz allein nicht ausreichen, wenn man die Verpflegung an einen Dienstleister vergibt. Natürlich ist sie als eines von mehreren Kriterien wichtig.
Erlauben Sie noch ein paar Anmerkungen zu den Kosten der Zertifizierung. Wenn diese in großem Stil und flächendeckend eingeführt würde, wären die Kosten hierfür verschwindend. Wir haben dies für eine sog. Gruppen-Zertifizierung kalkuliert und sind dabei in größeren Schulen auf einen Betrag von 5 Cent pro Schüler und Monat gekommen. Ist das zu viel für die Sicherheit, ein einwandfreies Essen zu bekommen?
Wir sind sogar der Meinung, dass es sich die Gesellschaft spielend leisten könnte, alle Mittagessen in Deutschland zu finanzieren, so dass die Eltern dafür nichts bezahlen müssten. Zur  Zeit würde das ungefähr 500 Mio. Euro pro Jahr kosten, hochgerechnet. Bitte bedenken Sie, dass unser Staat Dinge oder Verhältnisse subventioniert, über deren Sinn man sehr wohl ins Grübeln kommen kann. So entgehen dem Staat pro Jahr über 5 Mrd. (!) Euro an Steuern, weil spritfressende Luxuswägen als Firmenwägen absetzbar sind, also das Zehnfache des Mittagessens. Das vieldiskutierte Betreuungsgeld, das ab 2013 gezahlt werden soll, wird ca. 2 Mrd. (!) Euro kosten, somit das Vierfache, was für ein vollwertiges Mittagessen in ganz Deutschland fällig wäre.
Wenn aber sowohl die Zertifizierung als auch das gesamte Mittagessen selbst leicht finanzierbar sind, so fragt man sich: Warum machen wir es nicht?

Prof. Dr. Volker Peinelt

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