Politik & Wirtschaft

Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) fordert Kooperationsverbot im Bildungsbereich gänzlich aufzuheben

Die geplanten Regelungen zu Bundesfinanzhilfen für finanzschwache Kommunen, um Bildungsinfrastrukturen zu sanieren, sind bei Sachverständigen am Montag in einer Anhörung im Haushaltsausschuss auf ein geteiltes Echo gestoßen. Das Vorhaben ist Teil der Gesetzespakete der Bundesregierung zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (18/11131, 18/11135). Um die Unterstützung der Kommune zu ermöglichen, soll zum einen ein neuer Artikel 104c im Grundgesetz eingeführt werde. Zum anderen sind Änderungen der Gesetze zum Kommunalinvestitionsförderungsfonds geplant. Über dieses 2015 eingerichtete Sondervermögen des Bundes soll das Geld von den Ländern für ihre Kommunen abgerufen werden können. Die Mittel stehen auch schon bereit: 3,5 Milliarden Euro stellte der Bundestag Mitte Februar in einen Nachtragshaushalt für 2016 ein.

Unter anderem der Bundesrechnungshof sieht die geplante Neuregelung kritisch. Das Vorhaben stelle einen „weitreichenden Schritt“ dar, „der von der klaren verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisung im föderalen System wegführt“. Es fehle in den Entwürfen an „ausreichenden Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten, die es dem Bund ermöglichen würden, einen sachgerechten und wirtschaftlichen Mitteleinsatz sicherzustellen“, schrieb der Rechnungshof in seiner Stellungnahme.

Andere Sachverständige begrüßten das Vorhaben hingegen im Grundsatz, bemängelten aber, dass die Regelungen nicht weit genug gingen. Der Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) forderte beispielsweise, das bestehende Kooperationsverbot im Bildungsbereich gänzlich aufzuheben. Direkte Zahlungen des Bundes an die Kommunen seien „vorzugswürdig“, denn damit wäre sichergestellt, „dass die Bundesmittel vollständig in den Gemeinden investiert werden“, schrieb der DStGB in seiner Stellungnahme. Auch der Deutsche Städtetag sprach sich in seiner Stellungnahme für die Aufhebung des Kooperationsverbotes aus.

Christian Waldhoff (Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Finanzrecht, Humboldt-Universität zu Berlin) stellte sich gegen die Einführung des geplanten Artikel 104c GG. Dieser sei aus „verfassungssystematischen und demokratietheoretischen Gründen abzulehnen“, schrieb der Rechtswissenschaftler in seiner Stellungnahme. Sollte das Vorhaben trotzdem umgesetzt werden, müsse dann zum einen der Bund festlegen, was finanzschwache Kommunen sind. Zum anderen müssten die bisher geplanten Kriterien zur Verteilung der Mittel überarbeitet werden. Aktuell ist vorgesehen, die Mittel zu je einem Drittel nach Einwohnerzahl, Höhe der Arbeitslosigkeit und Höhe der Kassenkredite an die Länder zu vergeben.

In eine ähnliche Richtung argumentierte Thiess Büttner (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg). Die Mittelverteilung teils an der Höhe der Kassenkredite festzumachen, sei problematisch, denn es handle sich um einen „Finanzausgleich nach dem Rückspiegel“. Das Geld fließe dann dahin, „wo in der Vergangenheit mehr ausgegeben wurde. Das müssen aber keineswegs Gemeinden sein, die einen ungedeckten Investitionsbedarf haben“, schrieb Büttner in seiner Stellungnahme. Zudem würden jene Länder „bestraft“, die ihren Kommunen nicht gestattet haben, Kassenkredite in Anspruch zu nehmen.

Hans-Günter Henneke (Deutscher Landkreistag) sprach sich ebenfalls gegen die Einführung des Artikel 104c GG aus. Damit würden „bewährte Verantwortungsstrukturen“ zerstört. „Die Länder, die schon bisher ihre Kommunen nicht angemessen ausgestattet haben, werden in Zukunft umso lauter auf eine Investitionshilfebefugnis des Bundes nach Einfügung eines Art. 104c GG verweisen. Völlig offen bleibt dabei, ob der Bund dann tatsächlich in neue Finanzhilfeleistungen eintritt“, heißt es in Hennekes schriftlicher Stellungnahme. Wenn der Bund die Kommunen unterstützen wolle, dann sei es sinnvoller, Mittel über eine Erhöhung der sogenannten Entflechtungsmittel zur Verfügung zu stellen. Dies sei auch schon beim Sozialen Wohnungsbau praktiziert worden.

Joachim Wieland (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer) äußerte sich hingegen positiv in Hinblick auf die geplanten Änderungen und den neuen Artikel im Grundgesetz. Problematisch sei indes, auf kommunale Kassenkredite abzustellen, denn Stadtstaaten könnten so benachteiligt werden, da es dort keine kommunale Ebene gebe. Hierfür brauche es eine Sonderregelung. Kritisch äußerte sich Wieland zu dem Vorhaben, die Unterstützung finanzschwacher Kommunen bei der Sanierung von Bildungsinfrastrukturen im geplanten Artikel 104c GG mit Bezug auf die bestehenden Regelungen im Artikel 104b Absatz 2 GG zu befristen und degressiv zu gestalten. Der Finanzbedarf der finanzschwachen Kommunen dürfte „dauerhaft sein und auch in der Höhe nicht abnehmen“, heißt es in Wielands Stellungnahme. Wieland schlug in der Anhörung vor, Befristung und Degression nicht im Grundgesetz zu regeln, sondern dem politischen Prozess zu überlassen.

Ansgar Klinger (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW) begrüßte grundsätzlich die geplante Neuregelung. Das „strukturelle Problem der Unterfinanzierung der Kommunen“ werde aber mit 3,5 Milliarden Euro nicht gelöst. So bestünde aktuell ein Investitionsstau von 34 Milliarden Euro. Dauerhafte Lösungen könnten durch eine Erhöhung der Steuereinnahmen, etwa bei hohen Einkommen sowie bei der Neujustierung der Gewerbesteuer, erreicht werden. Grundsätzlich müsse zudem das Kooperationsverbot komplett abgeschafft werden, forderte Klinger in seiner schriftlichen Stellungnahme. Der GEW-Vertreter sprach sich zudem gegen Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft aus. Es gebe viele Erfahrungen damit, die belegten, dass die öffentliche Hand dabei am Ende mehr zahlte, führte Klinger aus. (hib/SCR)

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