Politik & Wirtschaft

Deutscher Bundestag aktuell: Präventionsgesetz – Debatte im Gesundheitsausschuss

foodwatch Stellungnahme zum Gesetzentwurf: Regierungsentwurf untauglich im Kampf gegen Übergewicht und Fehlernährung. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für ein „Präventionsgesetz“ ist ungeeignet für den Kampf gegen Krankheiten, die durch ungesunde Ernährung mitverursacht werden. Keine einzige Maßnahme im Gesetzentwurf adressiert die Mitverantwortung der Lebensmittelindustrie für die dramatische Zunahme von Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern. Das hat die Verbraucherorganisation foodwatch vor der Anhörung über den Gesetzentwurf im Gesundheitsausschuss kritisiert. Dieser Kritik schließt sich das DNSV in weiten Teilen an, denn Prävention und Gesundheitsförderung müsse alle Lebenswelten erreichen, vor allem Kita und Schule und sei Bestandteil einer Ernährungs- und Verbraucherbildung.

foodwatch forderte, endlich auch die Lebensmittelindustrie in die Verantwortung zu nehmen: Neben einer Marketingbeschränkung für unausgewogene Kinderprodukte müssten etwa auch verbindliche Standards für die Verpflegung in Schulen und Kindertagesstätten festgelegt sowie der Zucker- und Salzgehalt in verarbeiteten Lebensmitteln reduziert werden.

„Es ist eine Kapitulationserklärung vor den Gewinninteressen der Lebensmittelindustrie, dass im gesamten Gesetzestext mit keiner Silbe die Mitverantwortung der Branche für Übergewicht und Fehlernährung genannt wird. Durch aggressives Marketing und ein nie dagewesenes Angebot an übersüßten und fettigen Produkten werden Kinder und Jugendliche zu einem unausgewogenen Ernährungsstil verführt. Enormen Gewinnen auf Seiten der Branche stehen enorme Kosten für das Gesundheitswesen gegenüber. Genau hier müsste eine wirksame Präventionsstrategie ansetzen – doch die Bundesregierung kuscht vor der Lebensmittellobby“, kritisierte Oliver Huizinga, Experte für Kinderernährung bei foodwatch. Die Verbraucherorganisation forderte den Gesundheitsausschuss im Deutschen Bundestag auf, die Prävention von Fehlernährung, Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) als Zielvorgabe in den Gesetzentwurf aufzunehmen und verlangte effektive Maßnahmen, um insbesondere Kinder besser zu schützen: So dürften unausgewogenes Junkfood, Süßigkeiten oder Softdrinks nicht länger gezielt als Kinderprodukte beworben und mit Comicfiguren, Spielzeugbeigaben oder Gewinnspielen an Kinder vermarktet werden. Vorbild dafür soll ein kürzlich vorgestelltes Modell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sein, wonach nur noch bestimmte, ausgewogene Lebensmittel an Kinder vermarktet werden dürfen.

Das sogenannte Präventionsgesetz soll laut Bundesgesundheitsministerium die „Prävention und Gesundheitsförderung in jedem Lebensalter und in allen Lebensbereichen“ verbessern. Im Bereich Ernährung setzt die Bundesregierung dabei jedoch vor allem auf Appelle und Ernährungsbildung – aus Sicht von foodwatch unzureichend angesichts des grassierenden Übergewichts gerade bei jungen Menschen: Im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren ist der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent gestiegen. Ein entscheidender Grund dafür ist das veränderte Lebensmittelangebot – jederzeit und überall sind stark kalorienhaltige, hochgradig verarbeitete Lebensmittel verfügbar und werden massiv beworben. Dabei prägt die Lebensmittelwirtschaft durch gezieltes Marketing bereits junge Konsumenten auf jene Produkte, die die größte Profitabilität versprechen: Süßwaren, Softdrinks und unausgewogene Snacks. Diese Problematik adressiert der Gesetzentwurf jedoch nicht – und bestätigt damit exakt die Kritik der WHO-Chefin Margaret Chan, die vor knapp zwei Jahren formuliert hatte: „Kein einziger Staat hat es geschafft, die Adipositas-Epidemie in allen Altersgruppen zu stoppen. Hier mangelt es nicht an individueller Willenskraft. Hier mangelt es am politischen Willen, sich mit einer großen Industrie anzulegen“.

Oliver Huizinga von foodwatch: „Wider besseres Wissen bedient die Bundesregierung die Mär vom individuellen Fehlverhalten als Ursache für die Ausbreitung von Übergewicht, statt mit konkreten Maßnamen insbesondere Kinder und Jugendliche vor den ebenso schamlosen wie ausgefuchsten Manipulationen der Ernährungsbranche zu schützen.“

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