Politik & Wirtschaft

Armes Deutschland! – Studie belegt sprunghaften Armutsanstieg in der Republik

Die Armut in der Bundesrepublik Deutschland befindet sich auf einem historischen Höchststand, so der Befund des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in seinem aktuellen Armutsbericht.Demnach ist die Armutsquote im Bundesdurchschnitt von 2012 bis 2013 um einen halben Prozentpunkt auf 15,5 Prozent gestiegen. Ein Jahrzehnt nach Einführung der Hartz IV-Gesetze hat sich die Kinderarmut in Deutschland verschärft. Die Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen habe sich in den vergangenen zehn Jahren auf rund 2,8 Millionen mehr als verdoppelt.  Der Verband fordert von der Bundesregierung entschlossene Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, darunter eine deutliche Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV sowie Reformen des Familienlastenausgleichs und der Altersgrundsicherung.

Schon eine vom Deutschen Kinderhilfswerk im Januar 2014 veröffentlichte repräsentative Umfrage hatte ergeben, dass 72 Prozent der Bundesbürger glauben, staatliche und gesellschaftliche Verantwortungsträger würden „eher wenig“ oder „sehr wenig“ tun, um Kinderarmut wirkungsvoll entgegenzutreten. Zugleich wären 66 Prozent der Befragten bereit, mehr Steuern zu bezahlen, wenn damit das Problem der Kinderarmut und damit auch das Problem der ungleichen Gesundheitsstandards wirksam bekämpft werden könnte.

„Noch nie war die Armut in Deutschland so hoch und noch nie war die regionale Zerrissenheit so tief wie heute. Deutschland ist armutspolitisch eine tief zerklüftete Republik“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Die Armut in Deutschland sei innerhalb nur eines Jahres geradezu sprunghaft von 15,0 Prozent (2012) auf 15,5 Prozent (2013) gestiegen. Rein rechnerisch bedeutet dies einen Anstieg von 12,1 auf 12,5 Millionen Menschen.

Zitat aus dem Bericht: „Die regionale Verteilung der Kinderarmut, gemessen am jeweiligen Anteil der Kinder im Hartz-IV-Bezug, zeigt eine extreme Streuung. Auf Länderebene reicht die Spanne von 7,2 Prozent in Bayern bis zu 33,2 Prozent in Berlin. Jedes dritte Kind in Berlin bis 15 Jahren lebt von Hartz IV. Auf regionaler Ebene ist die Diskrepanz sogar noch deutlich größer: von 1,9 Prozent im bayrischen Landkreis Eichstädt bis zu damit kaum noch vergleichbaren 38,2 Prozent in Bremerhaven. Die gesamtdeutsche Quote von 15,5 Prozent verschleiert damit eine drastische Disparität in der Fläche. Einzelne Regionen müssen vielmehr als tatsächlich von Kinderarmut geprägt bezeichnet werden. So liegt bereits in 16 der 401 Kreise und kreisfreien Städte die Hartz-Betroffenheit der Kinder bei über 30 Prozent – 10 davon übrigens in Westdeutschland. Zieht man die Grenze bei einer Kinderarmutsbetroffenheit von 20 und mehr Prozent, sind es sogar 91 Städte und Kreise, die als von Kinderarmut geprägt gelten können und in denen insgesamt rund 30 Prozent aller Kinder in Deutschland aufwachsen: 3,2 Millionen Kinder und Jugendliche, für die es zur alltäglichen Lebenswirklichkeit gehört, dass ein Teil von ihnen, sie selbst, ihre Freunde, ihre Nachbarn oder ihre Mitschüler ausgegrenzt wird und von Teilhabechancen und Perspektiven ausgeschlossen aufwächst (Tabelle 12, Anhang S. 46).“

Am stärksten betroffen seien die Bundesländer Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Erstmalig beleuchtet der Paritätische in seinem Bericht zur Armutsentwicklung auch besondere Risikogruppen. Das höchste Armutsrisiko von allen Haushalten zeigten danach mit 43 Prozent Alleinerziehende. Besondere Aufmerksamkeit sollte zudem nach Ansicht des Verbandes den Rentnerinnen und Rentnern gewidmet werden: „Es gibt keine andere Gruppe in Deutschland, die in den letzten Jahren auch nur annähernd vergleichbar hohe Armutszuwächse hatte. Wir haben es hier mit einem armutspolitischen Erdrutsch zu tun“, warnt Schneider angesichts eines Anstiegs der Armut in dieser Gruppe um 48 Prozent seit 2006. Schon in diesem Jahr werde die Armutsquote der Rentnerinnen und Rentner erstmals über dem gesamtdeutschen Durchschnitt liegen, prognostiziert der Verband „Armut und regionale Ungleichheit sind in erster Linie hausgemacht und das Ergebnis politischer Unterlassungen“, kritisiert Schneider. Der Verband fordert ein umfassendes Maßnahmenbündel zur Armutsbekämpfung. Neben einer deutlichen Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV seien insbesondere Reformen des Familienlastenausgleichs und der Altersgrundsicherung erforderlich, um Armut wirksam vorzubeugen. Voraussetzung dazu sei ein rigoroser steuerpolitischer Kurswechsel, der große Vermögen und Einkommen stärker als bisher zur Finanzierung des Sozialstaats heranzieht, so der Verband.

www.der-paritaetische.de/armutsbericht

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