Politik & Wirtschaft

Berlin lässt Schulcaterer allein

Die Situation der Berliner Caterer stelle sich als zukunftsfähig dar. Zu diesem Schluss kommt die Berliner Staatssekretärin Beate Stoffers im Auftrag des regierenden Bürgermeisters in ihrem Antwortbrief auf den Offenen Brief des Deutschen Netzwerk Schulverpflegung DNSV vom 22. April. Wortwörtlich heißt es im Schreiben der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie:

„Aus meiner Sicht stellt sich die Berliner Situation der Caterer zwar als herausfordernd, aber doch wirtschaftlich zukunftsfähig dar. Die Caterer haben, wie unzählige Berliner Unternehmen, durch die zur Eindämmung der Corona-Pandemie erforderlichen Maßnahmen ein unternehmerisches Risiko zu tragen und das Land Berlin bemüht sich nach Kräften darum, alle Unternehmen mit geeigneten Maßnahmen zu unterstützen.“

Auch wenn sich Initiator des Briefs, Dr. Michael Polster, Vorsitzender des DNSV, eine andere Antwort erhofft hatte, hält er dem Berliner Senat zugute, dass er immerhin eine Antwort verfasst hat – und damit als einziges Bundesland auf den „Offenen Brief des DNSV“ reagiert hat. Drei Landesregierungen haben zudem den Eingang des Briefs bestätigt: Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Der Rest reagierte gar nicht erst, was Dr. Michael Polster sehr bedauert:

„Diese Reaktion war und ist mehr als unzufriedenstellend.“

Reaktion auf Offenen Brief bayerischer Kita- und Schulverpfleger

Ähnliche Erfahrungen machte auch Claudia Kirchner, Chefredakteurin des Fachmagazins Schulverpflegung, die einen Offenen Brief bayerischer Kita- und Schulcaterer an die bayerische Landesregierung, das Ernährungs- und das Kultusministerium schickte: „Zu mehr als einer Empfangsbestätigung hat es scheinbar nicht gereicht“, berichtet sie enttäuscht. „Aber immerhin hat Bayern, wenn auch erst etwa drei Wochen später, einen zeitlichen Fahrplan für die weiteren Kita- und Schulöffnungen offengelegt. Das war eine der Hauptforderungen der bayerischen Kita- und Schulcaterer“, ergänzt sie. Carola Petrone, Geschäftsführerin der Bio-Frischeküche Il Cielo in Weßling, bestätigt, dass sie froh ist, wieder öffnen zu dürfen. Nichtsdestotrotz hat auch sie betriebswirtschaftlich zu kämpfen (mehr dazu lesen Sie hier).

Langsame Schulöffnungen betriebswirtschaftlich problematisch

Dr. Michael Polster vom DNSV bezweifelt, dass den Kita- und Schulcaterern mit der derzeitigen Öffnungspraxis wirklich geholfen ist:

„Die langsamen Schulöffnungen bringen keine wirkliche Hilfe. Und auch nur 7 Prozent Mehrwertsteuer sind keine Alternative, wenn der Umsatz bei nahezu null liegt. Für die Branche bedarf es nichtsdestotrotz genereller Regelungen und Hilfen – wie im Offenen Brief des DNSV gefordert, wenn nicht gewollt wird, dass bald die Schul- und Kitaküchen kalt bleiben.“

Sein Urteil stützt er auf eine Befragung bundesweit tätiger und Berliner Kita- und Schulcaterer, welche ihre Situation alles andere als „zukunftsfähig“ sehen. Denn die Kita- und Schulverpflegung in Zeiten von Corona ist nicht nur eine Frage der Hygiene, sondern vor allem der betriebswirtschaftlichen Lage der Speisenanbieter. „Politische Parolen zur gesunden Ernährung, Qualitätssicherung und eine zeitlich begrenzte Steuersenkung sind dabei letztlich nur kontraproduktiv, wenn mit den aktuellen Umsätzen in absehbarer Zeit viele Küchen der Caterer kalt bleiben“, betont Dr. Michael Polster.

Vielfältige Herausforderungen

Die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen für Kita- und Schulcaterer sind vielfältig:

  • Ressourcen müssen vorgehalten werden, auch wenn nur begrenzte Zahlen von Essenportionen ausgeliefert werden.
  • Die Ausgabe vor Ort in Menü-Assietten erhöht die Kosten pro Portion.
  • Gleichzeitig ist die Verfügbarkeit von Assietten-Schalen drastisch zurückgegangen, bei gleichzeitiger Preissteigerung.
  • Steigende Foodpreise für Frischeprodukte am Markt sind ein weiterer Kostenfaktor.
  • Darüber hinaus gibt es in Hinblick auf Corona von Seiten der Kommunen und Schulträger neue Anforderungen an die Kita- und Schulessen, die die Dienstleistung zusätzlich erschweren.
  • Andere Kitas und Schulen planen dagegen noch gar nicht mit Catering – und lassen die Anbieter weiterhin außen vor.
  • Zwar machen viele der Schulen und Kindergärten gerade wieder auf – aber nur mit geringer Auslastung. Somit liegen die Essenszahlen oft weit unter dem wirtschaftlich erforderlichen Minimum.
  • Weitere Herausforderung ist die Entzerrung der Essensausgabe in Schulen: Wenn Schüler zeitversetzt über drei oder vier Stunden zum Essen kommen, muss das Personal entsprechend länger beschäftigt und bezahlt werden.

Klaus Kühn, Geschäftsführer der Berliner Drei Köche GmbH , sieht diese Anforderungen kritisch:

„Diese Wünsche sind ohne Extra-Berechnungen beim besten Willen nicht erfüllbar. Die aktuellen Einnahmen von etwa 15 Prozent verschlingen mehr als 40 Prozent der Personalkosten. Es ist chaotisch. Wir sind gespannt, wer das überleben kann.“

Kita- und Schulverpflegung mit deutlich weniger Umsatz bei nahezu gleichen Kosten zu leisten, ist ein Balanceakt. Das bestätigen auch große Unternehmen wie Dussmann.

Problem Heterogenität

Die Heterogenität der Strukturen und Vorschriften ist – mal wieder – eine weitere Herausforderung. Es gibt kein einheitliches und somit schnell modifizierbares Verpflegungssystem. Zahlreiche Schulen haben Probleme mit der Umsetzung des Hygienekonzepts zur Essensausgabe, hört man aus vielen Teilen der Branche aus ganz Deutschland. Es gibt keine einheitlichen Vorgaben in den verschiedenen Bundesländern, wie der Mehraufwand von Dienstleistern in den kommunalen Einrichtungen gehandhabt wird. Jeder Bürgermeister entscheide das für sich, heißt es von Seiten der Caterer.

Nur eine Angst eint alle von uns befragten Unternehmer: dass Corona zurückschlägt, dass der Lockdown von vorne losgeht und die Schulen und alle anderen Kunden wieder schließen.

Redaktion Schulverpflegung