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„Kulturelle Leitidee“ für die Bildung

Es ist ein Zukunftsthema: die Frage, wohin es mit dem Bildungssystem gehen soll. Was müssen Schüler lernen? Wie schaffen es Lehrer, den vielen neuen Herausforderungen zu begegnen? Um diese Fragen zu beantworten, schaut der Philosoph Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin erst einmal in die Vergangenheit, zu der Idee einer humanistischen Bildung. „Nicht alles ist überholt, nur, weil es schon früher erfolgreich war“, so der Autor zahlreicher Bücher zu politischen und zeitgenössischen Themen. In seinem neuesten Buch „Philosophie einer humanen Bildung“ heißt es: „Deutschland, aber auch andere westliche Länder, versuchen seit vielen Jahren, ihr Bildungssystem zu reformieren. Das Ergebnis ist bislang enttäuschend.“ Und an dieser Stelle setzt sein Buch an. „Es geht mir nicht um Strukturfragen oder gar um politische Positionsgewinne, sondern um die fehlende kulturelle Leitidee von Bildungspolitik und Bildungspraxis“, schreibt Nida-Rümelin.

Vorab zum Deutschen Schulleiterkongress konkretisiert Nida-Rümelin das Ziel seiner philosophischen Überlegungen: „Mir geht es um zweierlei: darum, sich klar zu machen, was eigentlich der Inhalt und das Ziel von Bildung ist, und zum zweiten darum, die Vielfalt der Bildungsinhalte und -formen, akademischen wie berufliche und viele Mischformen, zu erhalten und auszubauen und von der Botschaft wegzukommen, die Zukunft gehöre ausschließlich den Akademikern.“ Denn es sei ein Trugschluss zu glauben, humanistischer Bildung würde die Nähe zur Praxis fehlen, wie häufig kritisiert wird. „Das ist gerade eine der Fehleinschätzungen zu humanistischer Bildung, die ich richtigstelle“, so der Münchner Philosoph. Vielmehr gehe es um eine ganzheitliche Bildung, die Kinder auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Leben begleite.

Nida-Rümelin selbst entwirft eine Idee von Bildung, die den Charakter und die Persönlichkeitsbildung in den Mittelpunkt stellt. Der Mensch müsse als Ganzes gesehen werden – als kognitives, aber auch als ästhetisches, emotionales und ethisches Wesen. „Ich kritisiere ja an der gegenwärtigen Situation, dass unsere allgemeinbildenden Schulen das Handwerklich-Technische, das Künstlerisch-Gestaltende, auch das Soziale und Ethische nur am Rande berücksichtigen“, sagt Nida-Rümelin, „wir haben eine kognitive Schlagseite“. Das führe leider zur Abwertung praktischer Berufe. Darüber hinaus kritisiert er das Ausrichten der Lernziele an der Wirtschaft. Diese „Instrumentalisierung“ von Bildung hält der renommierte Philosoph für gefährlich und „unmenschlich“.

„Wichtiger sind die Inhalte und die Formen der Bildungsvermittlung, die Bereitschaft der Gesellschaft, der Bildung als ganze Bildung höchste Priorität einzuräumen, den Lehrerberuf aufzuwerten, den Akteuren im Bildungswesen Vertrauen entgegenzubringen, mehr Vielfalt, Offenheit, Selbstverantwortung, weniger Normierung und Gängelung“, sagte Nida-Rümelin im Interview. Kurz: Bildung als humane Persönlichkeitsentwicklung zu verstehen.

Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin wird seine These am 25. März 2017 von 9 bis 10.15 Uhr auf dem sechsten Deutschen Schulleiterkongress vorstellen.
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