Politik & Wirtschaft

Michael Schlecht, MdB DIE LINKE – antwortet dem DNSV auf die Wahlprüfbausteine

Das DNSV hatte in einem Schreiben an die Mitglieder des Deutschen Bundestages gefragt: 1. Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation der Schulverpflegung in Deutschland?
Antwort Michael Schlecht: Die derzeitige Situation der Schulverpflegung in Deutschland ist unbefriedigend und von Schule zur Schule sehr unterschiedlich. Qualität und Angebot sind oft mangelhaft oder es gibt gar keine warme Mahlzeit. DIE LINKE im Bundestag hat zum Thema Schulverpflegung am 18. Oktober 2012 eine Fachtagung mit zahlreichen Akteuren durchgeführt. Trotz beispielhafter Einzelprojekte besteht hierzulande erheblicher Handlungsbedarf. Deshalb hat die Linksfraktion am 17. Januar 2013 einen Antrag in den Bundestag eingebracht, um die Schulverpflegung auf die Tagesordnung zu setzen. Im Februar 2013 wurde zudem eine umfassende Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um genauere Daten zu erhalten.
Wir kritisieren fehlendes Verantwortungsbewusstsein bei Bund und Ländern. Schulverpflegung ist bei beiden kein Schwerpunktthema. Ein Austausch zwischen den verschiedenen Fachebenen findet nicht statt. Bis heute haben nur wenige Bundesländer die Verpflegung auch an bestimmte Mindeststandards geknüpft. Vielen Kommunen und Ländern ist es aufgrund schlechter Haushaltslagen kaum möglich, eine gute Schulverpflegung zu gewährleisten. Oft fehlt es an Räumen, Ausstattung und Personal und damit auch an der Attraktivität für ein gemeinsames Mittagessen. Trotz der deutlichen Zunahme an Ganztagsschulen soll die Förderung der Vernetzungsstellen Schulverpflegung durch den Bund auslaufen. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) kritisiert, dass es für die Schulverpflegung keine einheitlichen Vorgaben gibt und es an einer Einbindung in den Schulalltag fehlt. Mensen sind in vielen Schulen nur behelfsmäßig vorhanden. Die Essenzeiten sind häufig viel zu kurz. Die Speisen sind oft einseitig, zu fett und zu süß. Als Getränke werden zu häufig nur süße Limonaden angeboten. Nach Angaben der Hochschule Niederrhein weisen 90 Prozent der Schulkantinen Qualitätsmängel auf. Häufig mangelt es an Abwechslung und frischen Zutaten. Die Mahlzeiten werden bis zu sechs Stunden warm gehalten. Durch die lange Warmhaltung gehen Geschmack und Nährstoffe verloren. Problematisch ist außerdem, dass die Schülerinnen und Schüler selten von Beginn an in die Planung des Verpflegungsangebotes einbezogen sowie bei der Ausgestaltung der Pausen und der Mensa beteiligt werden.

2.       Halten Sie die derzeitige öffentliche Finanzierung der Schulverpflegung für ausreichend? Ist damit eine qualitativ hochwertige Ernährung der Kinder in Kita & Schule gewährleistet?
DIE LINKE hält die derzeitige öffentliche Finanzierung der Schulverpflegung für völlig unzureichend. Eine hochwertige Verpflegung muss allen Kindern und Jugendlichen in öffentlichen Schulen und Tageseinrichtungen ermöglicht werden. Ihre gesunde Entwicklung und ihr persönliches Wohlbefinden ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Staat hat nach dem Grundgesetz eine öffentliche Pflicht zur Fürsorge (Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7). Um gleiche Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu garantieren und eine hochwertige Verpflegung für jedes Kind und jeden Jugendlichen bzw. jede Jugendliche sicherzustellen, soll der Bund die Finanzierung zu übernehmen. Orientiert an den Erfahrungen in Schweden und Finnland soll die Verpflegung für alle Kinder kostenfrei sein. DIE LINKE schlägt vor, dass die Bundesregierung den Ländern eine kostendeckende Pauschale von derzeit mindestens vier Euro je Kind bzw. Jugendlichem am Tag zur Verwendung durch die Träger zahlt. Damit soll auch die Versorgung mit regionalen, saisonalen und ökologischen Erzeugnissen gefördert werden. Außerdem muss ein bundesweites Investitionsprogramm aufgelegt werden, dass die Kommunen beim Aus- und Neubau von Küchen und Mensen unterstützt.

3.      Halten Sie das derzeitige System für zeitgemäß? Wie sollen Alternativen aussehen?
DIE LINKE hält das derzeitige System nicht für zeitgemäß. Wir fordern, dass eine gesunde und hochwertige Schulverpflegung Schwerpunkt beim Bund, den Ländern und den Kommunen wird. Aus diesem Grund soll eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes, der Länder, der kommunalen Spitzenverbände und Forschungseinrichtungen, Gewerkschaften, Schüler- und Elternvertretungen, Schulen, Bildungspersonal sowie der Regionalbewegung und den Verbraucherverbänden eingerichtet werden. Diese erarbeitet ein Bundesprogramm zur Umsetzung einer zeitgemäßen Schul- und Kita-Verpflegung. Ziele sind:
•       Qualitätsstandards für die Verpflegung in den Schul- und Kita-Gesetzen verbindlich zu verankern. Die Einhaltung muss sichergestellt und kontrolliert werden. Die Qualitätsstandards sollen geschmacklich vielfältige, abwechslungsreiche und frische Mahlzeiten ohne Zusatzstoffe garantieren und kulturellen und religiösen Bedürfnissen Rechnung tragen.
•       Das Thema Ernährung soll durch praktische Aktivitäten wie das gemeinsame Zubereiten von Mahlzeiten und Getränken in Lernküchen fest in den Lernalltag einbezogen werden. Auch sollen Lehr- und Erziehungskräfte den Kindern die gemeinsame Verpflegung vorleben.
•       In Schulen und Kindertagesstätten können Kinder und Jugendliche viel über die Erzeugung und Wertschätzung von Lebensmitteln erfahren. So können auch die Regionalerzeugung gestärkt und solidarische Wertschöpfungsketten gefördert werden. Die Kinder und Jugendlichen sollen zudem besser über die saisonale und ökologische Erzeugung von Lebensmitteln informiert werden.
•       Die Zubereitung der Mahlzeiten soll mittelfristig einrichtungsnah möglichst durch betriebseigene oder kommunale Küchen erfolgen. Die fachliche Qualifizierung und eine tarifliche Bezahlung des Personals sind sicherzustellen.
•       Die Einbindung der Kinder und Jugendlichen sowie der Eltern- und Schülervertretungen ist bei der Auswahl der Verpflegung einschließlich der Ausgestaltung der Pausen und der Essenräume abzusichern.

4.      Wie zufrieden sind Sie mit der Umsetzung des Projektes IN FORM der Bundesregierung, z.B. im Hinblick auf die Ergebnisse?
Der Nationalen Aktionsplan „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ setzt die falschen Schwerpunkte und ist nicht auf der Höhe der Zeit. Wichtige Fragen, wie Stress im Alltag und soziale Hintergründe werden ausgeblendet. Problematisch ist außerdem, dass der Nationale Aktionsplan keine messbaren Ziele enthält. Dadurch ist eine Ergebniseinschätzung schwierig und die Bundesregierung kann sich leicht aus der Verantwortung stehlen. Kritisch sieht DIE LINKE auch, dass über IN FORM bisher über 100 Projekte und Maßnahmen aufgelegt wurden. Das führt zu „Projektitis“, was weder nachhaltig noch zukunftsrichtet ist. Durch befristete Projekte werden gute Ansätze nach deren Beendigung abgewürgt statt sie zu verstetigen. IN FORM muss neu aufgestellt werden. Die Vernetzungsstellen für die Schulverpflegung sind als Akteure für die Entwicklung und Sicherung einer qualitativ hochwertigen und ausgewogenen Schulverpflegung mit zeitgemäßen Schwerpunkten langfristig abzusichern. Insbesondere die Beratung und Begleitung der Ganztagsverpflegung an Schulen und Kitas ist zu stärken. Im Rahmen der Schul- und Kitaverpflegung sollen gezielt regionale Versorgungskreisläufe gestärkt werden. Im Unterricht sollen die Wertschätzung von Lebensmitteln und der kritische Konsum insbesondere in Bezug auf die Irreführungen und Täuschungen der Lebensmittelindustrie gestärkt werden. Für den Aktionsplan IN FORM ist bei Projekten, die sich an Kinder und Jugendliche wenden, ein Kooperationsverbot mit Unternehmen sicherzustellen.

5.      Finden Sie generell  Mehrwertsteuer auf Schulessen gerechtfertigt? Wenn ja: welche warum?
DIE LINKE wünscht sich, dass die Verpflegung in Schulen und Kindergärten nicht mehr gewinn-, sondern gemeinwohlorientiert erfolgt. Das bedeutet, dass die Zubereitung der Mahlzeiten mittelfristig einrichtungsnah, möglichst durch betriebseigene oder kommunale Küchen erfolgen soll. Eine Mehrwertsteuer in Höhe von 7 Prozent hält DIE LINKE dann für gerechtfertigt, wenn gewinnorientierte private Verpflegungsanbieter die Versorgung in den Schulen übernehmen.

6.      Wie wirkt die Mehrwertbesteuerung auf die soziale Lage der Schüler und Schülerinnen?
Die Mehrwertbesteuerung erhöht die Essenspreise und verringert die Qualität der Angebote. Dennoch kann auch eine Steuerbefreiung soziale Ungleichheit nicht angemessen aufheben, solange Eltern einen Großteil der Kosten tragen müssen. DIE LINKE spricht sich deshalb für eine unentgeltliche und durch den Bund finanzierte Schulverpflegung für alle Kinder und Jugendlichen aus – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.

7.      Wie werden Sie sich in der nächsten Legislaturperiode zu 7% Mehrwertsteuer bzw. die generelle Abschaffung der Besteuerung von Schulessen positionieren?
Wie in unserem aktuellen Antrag zum Thema Schulverpflegung dargelegt, wird sich DIE LINKE auch in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, dass die Verpflegung und damit verbundene Dienstleistungen in Schulen und Kindertagesstätten durch kommerzielle Anbieter von 19 Prozent auf 7 Prozent Mehrwertsteuersatz reduziert werden muss. Die Bundesregierung soll die rechtlichen Möglichkeiten, die die Europäische Mehrwertsteuerrichtlinie den Mitgliedstaaten einräumt, nutzen.

8.      Unterstützen Sie, dass nicht gewinnorientierte Verpflegungsangebote in Schulen und Kindertagesstätten durch kommunale Einrichtungen oder Vereine generell von der Umsatzsteuer befreit werden?
DIE LINKE fordert eine konsequente Befreiung der kommunale Einrichtungen oder Vereine, die eine nicht auf gewinnorientierten Verpflegung in Schulen und Kindertagesstätten anbieten. Hierzu müssen auch Zweckverbände zählen, d.h. auch Schulförder-, Eltern- oder Mensavereine. Die von der Bundesregierung formulierten Einschränkungen, z.B. dass die gemeinnützige Einrichtungen einem Wohlfahrtsverband angehören muss, sind sachlich nicht nachvollziehbar. Das Europarecht steht der Forderung nicht entgegen. Es fehlt bisher der gesetzgeberische Wille der derzeitigen Bundesregierung.

9.      Welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie Qualitätsentwicklung der Schulverpflegung müssen in den nächsten fünf Jahren ergriffen werden? Welche obliegen insbesondere den Kommunen  und welche dem Ländern?
Wichtig ist zunächst, rechtlich verbindliche Qualitätsstandards in den Schul- und Kita-Gesetzen zu verankern und deren Einhaltung auch zu kontrollieren. Verpflichtende Zertifizierungen sind nur sinnvoll, wenn die Einhaltung der Zertifizierungsstandards auch überprüft wird. DIE LINKE würde eine verpflichtende Zertifizierung unterstützen, sofern die Kosten der Zertifizierung nicht den Verpflegungsanbietern, Schulen oder Eltern auferlegt werden. Hohe Kosten würden sonst kleine regionale Anbieter mit regionalen und saisonalen Produkten davon abhalten, die Schulverpflegung in ihrer Region zu übernehmen. DIE LINKE möchte nicht die derzeitige Entwicklung befördern, wo sich ein monopolartiger Markt mit wenigen Großcaterern etabliert hat. Darüber hinaus bedarf es einer besseren Ausbildung der in den Mensen, Küchen und Kantinen beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese sollten nicht nur über Hygienestandards ausgebildet werden, sondern auch von der schonenden Verwendung von Nahrungsmitteln, gesunde und ungesunde Nährstoffe sowie Zusatzstoffe Kenntnis haben.

10. Haben sich die Vernetzungsstellen für Schulverpflegung in den Bundesländern bewährt? Für wie effizient  halten Sie die aktuelle Struktur?
DIE LINKE hält die Strukturen der Vernetzungsstellen Schulverpflegung für ausgesprochen sinnvoll. Diese beraten Schul- und Kitaträger bei der Umsetzung und Verbesserung der Verpflegung und vernetzen die Akteure. Sie sind unabhängige, verlässliche und qualifizierte Ansprechpartner vor Ort. Trotz dieser wichtigen und umfassenden Aufgaben sind sie personell und finanziell unzureichend ausgestattet. DIE LINKE will daher die Vernetzungsstellen stärken und flächendeckend ausbauen. Sie müssen personell aufgestockt und dauerhaft eingerichtet werden. Sie sollen den Schulen und Schulträgern durch qualifizierte und unabhängige Beratung helfen, die Qualität der Schulverpflegung langfristig bundesweit abzusichern und weiter zu verbessern.

11. Welche Forderungen des DNS für Jahr 2013 werden sie unterstützen?
•       DGE Qualitätsstandards müssen für die Verpflegung in allen Kitas und Schulen gesetzliche Grundlage sein und in den Schulgesetzen der Länder  implementiert werden.
•       Für kommerzielle Anbieter muss der Mehrwertsteuersatz von 19 auf sieben Prozent reduziert werden: Das Gebot lautet 7%! „Pro 7%! Auf Schulessen“.
•       Ernährung ist ein Querschnittsthema und betrifft alle schulischen Bereiche, deshalb ist der Ernährungsunterricht ist fest in den Lehrplänen an Schulen zu verankern. Gesamtkonzept „Ernährungsbildung“  muss Teil der Schulentwicklung sein.
•       In die Curricula  aller Pädagogikstudenten ist ein Fach Ernährungserziehung einzuführen, es gilt ein Konzept für eine Lehrerausbildung in dem Fach ,,Lebens- und Alltagsökonomie” bundesweit zu entwickeln.
•       Immer mehr Schulen profilieren und öffnen sich über den Schulgarten, kann doch die pädagogische Arbeit hier zugleich wichtige Impulse für die ganztägige Gestaltung des Schullebens vermitteln, deshalb ist sicherzustellen, dass alle Grundschulen in Deutschland einen Schulgarten haben und ihn nutzen können.
•       Einführung eine Unterrichtsfaches Ernährung/Kochen für alle Schüler der Klassen 1 – 6. Studien belegen: Kinder wünschen sich Kochen als Schulfach! Denn Praxis geht vor Theorie, d.h. Je niedriger die Schulstufe, desto höher sollte der Praxisanteil sein.
•       Schaffung einer Bundesstiftung Schulverpflegung (BSSV)
•       Verabschiedung eines Bundesrahmengesetzes  Schulverpflegung (BRGSV)

DIE LINKE unterstützt:
•       Verpflichtende Zertifizierung aller Bereiche der Schul- und Kita-Verpflegung und Kontrolle der Einhaltung der Anforderungen, sofern die Zertifizierungskosten nicht den Verpflegungsanbietern auferlegt werden.
•       DGE-Qualitätsstandards müssen für die Verpflegung in allen Kitas und Schulen gesetzliche Grundlage sein und in den Schulgesetzen der Länder  implementiert werden.
•       Für kommerzielle Anbieter muss der Mehrwertsteuersatz von 19 auf 7 Prozent reduziert werden: Das Gebot lautet 7 Prozent! „Pro 7 %! Auf Schulessen“.
•       Ernährung ist ein Querschnittsthema und betrifft alle schulischen Bereiche, deshalb ist es als Thema in allen Fächern zu integrieren. Gesamtkonzept „Ernährungsbildung“  muss Teil der Schulentwicklung sein.
•       Dauerhafte Strukturen der Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Schulverpflegung, Verpflegungsmanagement sowie der Ernährungs- und Verbraucherbildung.
•       Immer mehr Schulen profilieren und öffnen sich über den Schulgarten, kann doch die pädagogische Arbeit hier zugleich wichtige Impulse für die ganztägige Gestaltung des Schullebens vermitteln, deshalb ist sicherzustellen, dass alle Grundschulen in Deutschland einen Schulgarten haben und ihn nutzen können.
•       Schaffung einer Bundesstiftung Schulverpflegung (BSSV)
•       Verabschiedung eines Bundesrahmengesetzes  Schulverpflegung (BRGSV)

Zusätzlich setzt sich DIE LINKE dafür ein, dass die Professionalität auf allen Stufen der Verpflegung in Kitas und Schulen gefördert wird. Das Ehrenamt sollte in die Strukturen einbezogen, unterstützt und entsprechend qualifiziert werden.

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