Politik & Wirtschaft

Wie die Lebensmittelindustrie Kinder zum falschen Essen verführt

Knallbunte Verpackungen, gut sichtbar auf Augenhöhe von Kindern platziert, beworben mit Comic-Helden oder Sport-Stars, mit Sammelaktionen und Gewinnspielen: Beim Gang durch einen x-beliebigen Supermarkt entdeckt man überall in den Regalen Lebensmittel, die speziell die kleinen „Kunden“ locken sollen. Der foodwatch-Report „Kinder kaufen – Wie die Lebensmittelindustrie Kinder zur falschen Ernährung verführt, Eltern täuscht und die Verantwortung abschiebt“ hat diese Produkte genauer unter die Lupe genommen. In einem umfangreichen Marktcheck wurden mehr als 1.500 „Kinder“-Lebensmittel untersucht – mit einem ebenso deutlichen wie besorgniserregendem Ergebnis: Drei Viertel der angebotenen Waren sind Snacks und Süßigkeiten, die nur in geringen Mengen verzehrt werden sollten. Selbst Produkte, die eigentlich ausgewogen sein könnten – wie Frühstücksflocken oder Milchprodukte – sind in der Regel überzuckert und aromatisiert. Eine ausgewogene Ernährung für Kinder ist mit den Industrieprodukten praktisch unmöglich. Die Lebensmittelindustrie trägt damit eine massive Mitverantwortung für die Fehlernährung von Kindern. Der Anteil übergewichtiger Kinder ist im Vergleich zu den 80er- und 90er-Jahren um 50 Prozent gestiegen. Heute gelten 15 Prozent der Kinder als zu dick, 6 Prozent sogar als fettleibig (adipös). Folgen sind erhöhte Risiken für Diabetes, Herzkreislauf- und andere schwerwiegende Krankheiten. Die eigene Verantwortung dafür negiert die Branche und wehrt Kritik höhnisch ab: Eltern müssten auch mal „Nein“ sagen können, und wer übergewichtig sei, müsse eben mehr Sport treiben – ganz einfach. Dabei ist die Hauptursache für das gestiegene Übergewicht bei Kindern nicht der vermeintliche Bewegungsmangel, sondern vor allem eine falsche, zu kalorienreiche und zu zuckrige Ernährung. Davon versucht die Industrie abzulenken – und simuliert lieber Verantwortung, indem sie medienwirksam Sportveranstaltungen sponsert und sich mit Bewegungsinitiativen und Ernährungs-Tipps als Kämpfer gegen Übergewicht inszeniert. Doch das Kernproblem ist ein anderes: das den Kindern rücksichtslos aufgedrängte, ungesunde Produktangebot der Lebensmittelindustrie. Warum aber bietet die Industrie vor allem solche Produkte an? Dafür gibt es einen einfachen Grund: Mit Obst und Gemüse lässt sich nur wenig Geld verdienen – Snacks und Süßigkeiten versprechen schlichtweg höhere Margen. Mit enormem Marketing-Aufwand werden daher insbesondere Schokolade und Süßwaren beworben. Werbung für gesunde Produkte oder gar Obst und Gemüse? Meistens Fehlanzeige. So früh wie möglich sollen Kinder und Jugendliche an die eigene Marke gebunden werden und schon in jungen Jahren Geschmacksprägungen beeinflusst werden. Die Hoffnung aus Marketing-Sicht: Ist Hänschen ein treuer Kunde, bleibt es Hans erst recht. Also bombardiert die Industrie Kinder mit Werbung – egal ob im Supermarkt oder auf Sportveranstaltungen, im Fernsehen oder im Internet. Und auch die Eltern werden gelockt mit Versprechungen auf „besonders geeignete“ und „kindgerechte“ Produkte, die angeblich „das Beste aus der Milch“ oder „wertvolle Vitamine“ enthalten. Selbst in die Schulen drängen Hersteller mit ihren Vermarktungsstrategien und bieten zum Beispiel Unterrichtsmaterialien für Lehrer an. Eltern tragen die Verantwortung dafür, dass sich ihre Kinder gesund und ausgewogen ernähren. Doch wie schwer ist es für Eltern, Großeltern und Lehrer, sich gegen das perfide Marketing und die überbordende Reklame-Maschinerie der Industrie zu behaupten! Mit dem Report „Kinder kaufen“ will foodwatch endlich eine breite Debatte über die Verantwortung der Lebensmittelindustrie für die Gesundheit unserer Kinder anstoßen. Wir haben genug von den Ausreden und Alibi-Maßnahmen der Branche. Wir brauchen eine Lebensmittelindustrie, die ihre Verantwortung für ihre Produkte und Werbemaßnahmen, die sich an die besonders schützenswerte Konsumentengruppe der Kinder richten, endlich ernst nimmt!

Mehr Informationen zum Thema und den Report „Kinder kaufen“ zum Download finden Sie unter:

www.foodwatch.de/kinder

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